Wettbewerbsbeitrag 2012: Prost, ein Glas Whiskey

Ich nahm gerade den mir von Lucius angebotenen Whiskey aus seiner Hand entgegen, als ich das Biest aus dem Augenwinkel heraus den Salon betreten sah. „Lucius, Severus” nickte sie jedem von uns – dem blonden Schönling mit deutliche gesenkten Augenliedern – zu, näherte sich der Sitzgruppe am Kamin und nahm elegant auf dem Sofa zu meiner Linken platz.

Ungefragt stellte Lucius ein weiteres Glas der bernsteinfarbenen Flüssigkeit vor ihr ab.

„Trink”, forderte er und ignorierte den ‘Du wirst es brauchen’ Ausdruck in meinen Augen, als auch er sich in seinem Sessel nieder ließ. Schweigend, nur unseren Gläsern, Gedanken und gegenseitigen Beobachtungen ergeben, ließen wir die nächsten Minuten verstreichen, während wir auf die Vervollständigung unserer Runde warteten. Einzig das Knistern der verbrennenden Holzscheite erfüllte den Raum, bis es durch das leise aber gleichmäßige Geräusch von Schritten und schlussendlich dem Öffnen der Tür begleitet wurde.

„Du kommst spät” kommentierte Lucius das Erscheinen seines Sohnes dessen erster Weg nach der Begrüßung der Anwesenden zur Vitrine ging, um sich ebenfalls einzuschenken, bevor er sich neben Hermione setzte.

„Geschäftstermine”, informierte er knapp. Ein kalkulierender Blick des Vaters lag kurze Zeit auf ihm, doch offenbar behielt er sich vor seinen Sohn ein anderes Mal mit dem zu konfrontieren was auch immer ihm durch den Kopf ging.

„Wir sollten uns dem kommenden Schuljahr zuwenden“, sagte er stattdessen und wandte sich mir zu. „Dumbledores Tod ist zwar in erster Linie notwendig, aber er bietet uns auch den ein oder anderen zusätzlichen Vorteil.“

„Was meinst du?“, brummte ich misstrauisch. Der leise Unterton in seiner Stimme hatte mir ganz und gar nicht gefallen. Natürlich bot der Tod des vormaligen Schulleiters Vorteile. Ich würde mir nie mehr lächerliche Passworte merken oder Zitronendrops ablehnen müssen. Doch von nun an würde es noch schwieriger sein dem Lord Geschehnisse der Schule zu verschweigen. Als Direktor würde ich Kenntnisse haben, die ich zuvor hatte abstreiten können. Als sich Lucius dazu herabließ, meine Frage zu beantworten, war ich nicht sonderlich überrascht über dessen Gedankengänge. Zu gut hatte ich ihn in den letzten Jahrzehnten kennengelernt.

„Die ganzen Heimlichtuereien Severus. Keine Eulen, Zettelchen oder weitergegebene Nachrichten mehr. Wenn ich etwas mit dir besprechen möchte, komme ich einfach nach Hogwarts. Nachdem du meine Gastfreundschaft so lange hast genießen können, freue mich schon auf deine.“

„Als ob ich noch nicht genug zu tun hätte”, schnaubte ich verächtlich und stürzte den letzten Rest Whiskey meine Kehle hinab.

„Du vergisst, mein lieber Direktor, dass der Schulbeirat einen engen Kontakt zu allen Belangen von Hogwarts pflegt. Es ist durchaus üblich, dass ein Vertreter auf regelmäßiger Basis mit dem Schulleiter interagiert. Bislang habe ich diese Aufgabe niemals selbst wahrgenommen, es schien mir wenig verlockend mit dem alten Zausel Tee trinkend über Nichtigkeiten zu plaudern, aber ich denke, dass ich es unserem Nachwuchs schuldig bin mich diesbezüglich in Zukunft ebenfalls zu engagieren. Du siehst, niemand wird die Notwendigkeit meiner Anwesenheit anzweifeln können.“

Ich konnte meinen Impuls die Augen genervt zu verdrehen gerade noch unterdrücken. Schlimm genug, dass ich bald den Schulleiter würde mimen müssen. Die Aussicht nicht einmal mehr in Hogwarts von Lucius Allüren verschont zu bleiben, verbesserte meine Laune nicht unbedingt. Aber offenbar erwartete er von mir keinerlei Antwort, denn schon fuhr er in seiner perversen Freude mich zu triezen fort.

„Ach Severus, nun freu dich doch mal darüber nicht mehr in diesem tristen Keller hausen zu müssen. Dumbledore hat sein Büro zwar etwas… eigen… gestaltet, aber ich bin sicher, dass du den Räumlichkeiten deinen persönlichen Stil verleihen kannst. Ein paar eingelegte Kröten hier, etwas Schlangengift dort… Du könntest auch eine Auswahl an Peitschen für ungehorsame Schüler oder Schülerinnen im Raum drapieren”, sein Blick lag kurze Zeit funkelnd auf Hermione „Vielleicht gefällt ihr ja die neue Umgebung.”

So langsam verlor ich die Geduld. „Bitte Lucius, spiel dich nicht derart unerträglich auf!“ brummte ich und stellte das bereits seit längerer Zeit leere Glas mit mehr Schwung als nötig auf den Tisch.

„Dass ich Schulleiter werde bedeutet nicht, dass Hogwarts dein persönlicher Spielplatz wird!” Der zufriedene Ausdruck, der sich auf seinem Gesicht ausbreitete, ließ mich meine Augen nur noch weiter verschmälern als sie es ohnehin schon waren „Ich will dich nicht in der Schule sehen, Lucius…!“ warnte ich ihn, doch seine einzige Reaktion bestand darin seine Mundwinkel noch weiter zu heben.

„Hast du Angst, mein lieber Severus, dass ich dich von den angenehmen Dingen des Lebens abhalten könnte?”

„Ich bitte dich. Den ganzen Tag von den Bildern grenzdebiler toter Direktoren umgeben zu sein, kann auch nur in deinen Augen als angenehm bezeichnet werden Lucius.“

„Es wird dir gut tun nicht ständig allein zu versauern. Ein wenig mehr regelmäßige Interaktion – und sei es nur mit Gemälden – hat noch keinem geschadet. Ich bin zu neugierig, wie Dumbledore reagiert, wenn du auf dem Stuhl sitzt, der viel zu lange unter seinem Gesäß stand.” Er sah träumerisch in die Ferne bis ihm plötzlich ein Gedanke zu kommen schien.

„Sex im Büro ist dann wohl vorbei, oder stehst du auf Zuschauer, Hermione?“

Bei den letzten Worten schweiften seine Augen erneut zu dem Biest, dessen Blick nichts weiter als kalkulierte Kälte zeigte. Keiner von beiden sagte ein Wort und weder Draco noch ich waren dumm genug, die Stille zu brechen. So verbrachten wir erneut einige Zeit schweigend, während Lucius hin und wieder an seinem Glas nippte ohne Hermione dabei aus den Augen zu lassen.

Sein Blick lag bereits bedenklich lange auf dem sich über ihren Brüsten spannenden Stoff, als ihn das klirrende Geräusch der Whiskeyflasche an meinem Glas wieder aus seinen Gedanken zurückholte. Wortlos hielt er mir sein inzwischen ebenfalls leeres Glas entgegen und erst als es erneut gefüllt war, begann er wieder zu sprechen.

„Es ist spät. Draco, ich habe morgen früh einen Termin mit Gringotts für dich arrangiert. Hermione, ich erwarte dich diesmal pünktlich zum Frühstück.“

Die Angesprochenen verstanden seine Worte als Aufforderung den Raum zu verlassen. Während Draco den restlichen Whiskey in seine Kehle leerte, stellte Hermione das beinahe unberührte Glas auf den kleinen Tisch vor ihren Knien ab. Nach einer knappen Verabschiedung verließen sie den Raum. Uns allen war bewusst, dass Lucius sich nicht für die Uhrzeit und den ausreichenden Schlaf der Jüngeren scherte. Aber bevor er, welches Thema er auch immer mit mir allein besprechen wollte, ansetzen konnte, entschuldigte ich mich um mir die Hände zu waschen. Meine Hände waren mir ziemlich egal, aber nicht nur er kannte die Gepflogenheiten netter Umschreibungen um in Ruhe gelassen zu werden. Gemäßigten Schrittes verließ ich den Salon um das geräumige Badezimmer im Erdgeschoss aufzusuchen.

„Ich denke nicht, dass Vater dich in Hogwarts aus den Augen lassen wird. Lass dich nicht provozieren“, hörte ich Dracos Stimme aus einem seitlichen Gang flüstern.

„Denkst du, ich würde ihn inzwischen nicht gut genug kennen um das zu wissen? Aber er wird dort vorsichtiger sein um es niemanden wissen zu lassen. Er wird kein Problem darstellen.“

Keiner von beiden wirkte überrascht, als ich aus den Schatten auf sie zutrat und vermutlich waren sie es tatsächlich nicht.

„Du solltest dir nicht allzu sicher sein“, flüsterte ich ebenso leise. „Er kennt sämtliche Geheimgänge, die mir bekannt sind und vielleicht noch einige mehr“, meine Mundwinkel hoben sich einige Millimeter als ich mir ausmalte wie das Biest in Zukunft um jede Ecke spähen würde bevor sie diese umrundete. Mit Sicherheit würde sich Lucius nicht vor jedem Besuch ankündigen und selbst wenn er es täte würde keiner von uns Männern sie darüber in Kenntnis setzen.

Wo bliebe denn da der Spaß? Offenbar gelangte sie zu dem gleichen Schluss, den ich mit meinem Kommentar impliziert hatte. Ihre Augen verengten sich als ihr bewusst wurde, dass ihr nun noch ein weiterer Mann jederzeit würde auflauern können. Im folgenden Schuljahr würde sie des Nachts zwischen Dracos und meinem Bett wechseln, während sie tagsüber darauf achten müsste nicht plötzlich von Lucius hinter irgendwelche Mauern gezogen zu werden. Mit einem letzten, leicht amüsierten Blick wandte ich mich ab um meinen Weg ins Badezimmer fortzusetzen. Das letzte was ich hörte, bevor ich die Tür hinter mir schloss, war ihre mild amüsierte Stimme.

„Womit habe ich euch verdient?“